Diagnoseweisende Tonaudiogramme

 

Es gibt Tonaudiogramme, die spezifisch für bestimmte Krankheitsbilder sein können oder zumindest wichtige Hinweise geben. Hier werden die wichtigsten Beispiele gezeigt.

 

 

Beim akuten Lärmtrauma findet sich häufig eine Senke beider Kurven im Bereich von 4 kHz. Diese Senke wird   auch C5-Senke genannt, da 4 kHz in der Musik dem Ton C5 entspricht. Es wird vermutet, dass die Haarsinneszellen in diesem Bereich besonders empfindlich für hohe Lautstärken sind. Die Ursache hierfür ist noch nicht genau geklärt. Der "Tinnitus" nach einem Discobesuch entspricht der Frequenz dieser Senke im Bereich von 4 kHz.

 

Die Presbyakusis (Altersschwerhörigkeit) geht primär mit einem Hörverlust der hohen Frequenzen einher. Die wahrscheinliche Ursache hierfür ist, dass die Haarsinneszellen der hohen Frequenzen am Anfang der Cochlea liegen und somit häufiger Belastungen wie Druck, Lärm, Entzündungen etc. ausgesetzt sind. Im Tonaudiogramm erkennt man einen Wasserfallartigen Abfall beider Kurven, der sich mit zunehmenden Alter immer weiter zu den tieferen Frequenzen ausbreitet.

 

 

Die Carhart-Senke bei 2 kHz kann bei einer Otosklerose auftreten. Die Otosklerose ist eine zunehmende Verknöcherung der Gehörknöchelchenkette. Sie entsteht durch eine vermehrte Neubildung von Knochen, der jedoch insuffizient ist und zunehmend verkalkt. Am häufigsten ist der Steigbügel betroffen, der durch die Sklerosierung auf dem ovalen Fenster fixiert wird. Es kommt zu einem Schwingungs- und damit Übertragungsverlust der Ossikelkette, welcher zu einer Schallleitungsstörung führt. Die Carhart-Senke (Knochenleitungssenke bei 2 kHz) kommt dadurch zustande, dass ein geringer Teil der Knochenleitung auch über das Mittelohr weitergegeben wird. Der sich im Knochen ausbreitende Schall wird über die Gehörgangswand ins Mittelohr abgegeben. Dadurch werden die Gehörknöchelchen leicht in Schwingung versetzt und leiten den Schall ins Innenohr weiter. Dieser geringe Teil hat meist eine Frequenz von 2 kHz (Resonanz der Knöchelchen). Bei totaler Steigbügelfixierung fehlt dieser Teil und es kommt zur Knochenleitungssenke bei 2 kHz.

 

Eine Tieftonsenke im Tonaudiogramm ist typisch für den Morbus Menière. Bei dieser Erkrankung kommt es zu einem Druckanstieg im Endolymph-System (Endolymph-Hydrops). Dies kann durch eine fehlerhafte Überproduktion oder eine Abflussstörung der Endolymphe verursacht werden. Durch den Hydrops kommt es zum Einreißen der Reissner-Membran, die die Scala media von der Scala vestibuli trennt. Es folgt eine Durchmischung von kaliumreicher Endo- und kaliumarmer Perilymphe. Die daraus resultierende Elektrolytverschiebung sorgt für den Ausfall der Haarsinneszellen. Man vermutet das die Reissner-Membran im hinteren Teil der Cochlea (tiefe Frequenzen) eher einreißt als vorne, weshalb die Senke meist im Tieftonbereich zu finden ist.